Im Erbrecht sind nicht nur klare testamentarische Regelungen von entscheidender Bedeutung, sondern auch, ob ein Erblasser/eine Erblasserin durch frühere testamentarische Anordnungen einer Bindungswirkung unterliegt, die es ihm/ihr verwehrt eine abweichende testamentarische Regelung zu treffen. Dies wird auch an einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 13. April 2023 (Az.: I-2 Wx 259/22) deutlich, das sich mit der Schlusserbeneinsetzung eines Patenkindes und den Anforderungen an die Wechselbezüglichkeit in einem gemeinschaftlichen Testament befasst.
Der Fall: Ein Testament, viele Fragen
Im Mittelpunkt des Falls stand eine verwitwete Frau, die nach dem Tod ihres Ehemannes einen gemeinsamen Testamentsentwurf ändern wollte. Im gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und ihr Patenkind als Schlusserben bestimmt. Nach dem Tod ihres Mannes verfasste die Frau jedoch neue Testamente, in denen sie eine langjährige Freundin zur Alleinerbin einsetzte. Der Patensohn des verstorbenen Ehemannes beantragte daraufhin einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, während die Freundin ebenfalls Ansprüche geltend machte.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln
§ 2270 BGB normiert, dass von gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten eine Bindungswirkung ausgehen kann, wenn in dem gemeinschaftlichen Testament sogenannte wechselbezügliche Verfügungen getroffen wurden, wonach jeder Ehegatte seine testamentarische Verfügung nur getroffen hat, weil auch der andere sie getroffen hat. Im Falle einer sogenannten Schlusserbeneinsetzung – wonach sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und einen Dritten, sogenannten Schlusserben für den Tod nach dem länger lebenden Ehegatten als Erben einsetzen – wird eine Wechselbezüglichkeit und eine damit einhergehende Bindungswirkung dann vermutet, wenn es sich bei dem Schlusserben um einen Verwandten des erstversterbenden Ehegatten oder um eine ihm sonst nahe stehende Person handelt.
In dem vom Oberlandesgericht Köln zu entscheidenden Fall entschied das Gericht, dass von der Schlusserbeneinsetzung des Patensohnes keine Bindungswirkung ausgehe und die verwitwete Erblasserin daher ihr Testament noch ändern konnte und somit abweichend von dem ursprünglichen Ehegattentestament testieren konnte.
Eine entscheidende Frage dabei war, ob der Patensohn als „nahestehend“ im Sinne des § 2270 Abs. 2 BGB betrachtet werden konnte. Das Gericht stellte klar, dass an den Begriff des „Nahestehens“ hohe Anforderungen zu stellen sind. Es reiche jedenfalls nicht aus, dass ein freundschaftliches oder regelmäßiges Verhältnis bestand; vielmehr muss die Beziehung eine ähnlich enge Bindung wie zu nahen Verwandten aufweisen. Im dem zu entscheidenden Fall des OLG konnte ein solches Nahestehen jedoch nicht festgestellt werden, da der Patensohn nicht regelmäßig an Familienfeiern teilnahm und keine besonders innige Beziehung vorlag.
Widerruf der Schlusserbeneinsetzung
Da die Schlusserbeneinsetzung des Patensohnes nicht wechselbezüglich war, konnte die Erblasserin diese Verfügung nach dem Tod ihres Ehemannes wirksam widerrufen. Die späteren Testamente, in denen sie ihre Freundin als Alleinerbin bestimmte, wurden daher als gültig angesehen.
Fazit
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament sowie die Einordnung von Personen als „nahestehend“. Allein die Patenschaft oder ein freundschaftliches Verhältnis sind nicht ausreichend, um eine bindende Wirkung im Sinne des § 2270 BGB zu begründen.
Für die Gestaltung von Testamenten bedeutet dies, dass Ehegatten, die eine Bindungswirkung ihrer Verfügungen sicherstellen wollen, dies ausdrücklich im Testament festhalten sollten. Fehlende Klarheit und Präzision können zu rechtlichen Unsicherheiten und Streitigkeiten führen.