Anfechtung einer Ausschlagungserklärung wegen Irrtums über die Zusammensetzung des Nachlasses

Einleitung

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Beschluss vom 24. Juli 2024 (Az.: 21 W 146/23) eine bedeutsame Entscheidung zur Anfechtung einer Erbausschlagung aufgrund eines Irrtums über eine vermeintliche Überschuldung des Nachlasses getroffen. Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die sich beim Ausschlagen eines Erbes ergeben können, insbesondere wenn der Erbe falsche Annahmen über den Nachlass trifft.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall hatte die Beteiligte, die Tochter der verstorbenen Erblasserin, das Erbe zunächst ausgeschlagen. Grund dafür war die Annahme, dass der Nachlass überschuldet sei, da die Erblasserin in chaotischen und prekären Verhältnissen gelebt hatte. Diese Information beruhte auf Angaben der Polizei und der Kriminalbeamtin, die die Wohnung der Verstorbenen als verwahrlost beschrieben. Später stellte sich jedoch heraus, dass der Nachlass ein Guthaben von 72.077,87 Euro enthielt. Die Beteiligte focht daraufhin ihre Ausschlagungserklärung an, da sie sich über die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses geirrt hatte.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt entschied zugunsten der Beteiligten und stellte fest, dass die Anfechtung der Erbausschlagung wegen eines Irrtums gemäß § 119 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1954 BGB wirksam war. Die Überschuldung eines Nachlasses wurde dabei ausdrücklich nicht als verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB angesehen.

Begründung des Gerichts

Das Gericht betonte, dass der Wert des Nachlasses nicht als verkehrswesentliche Eigenschaft gilt, sondern nur die wertbildenden Faktoren wie beispielsweise Guthaben oder Schulden. Ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses, wie im vorliegenden Fall, kann jedoch als Anfechtungsgrund anerkannt werden, wenn dieser Irrtum kausal für die Entscheidung des Erben war, das Erbe auszuschlagen.

Die Beteiligte hatte sich über die Existenz von Guthaben auf Spar- und Girokonten geirrt, was im Ergebnis zur Anfechtung der Erbausschlagung führte. Der Irrtum war mit ursächlich für die Erklärung, das Erbe auszuschlagen, da die Beteiligte fest davon ausgegangen war, dass der Nachlass nur Schulden enthielt.

Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung

Das OLG Frankfurt lehnt in seinem Beschluss die anderslautende Rechtsprechung ab, nach der eine Überschuldung des Nachlasses als verkehrswesentliche Eigenschaft angesehen werden könnte. Es stellte klar, dass die Bewertung des Nachlasswertes, also die Frage, ob dieser positiv oder negativ ist, keine Eigenschaft des Nachlasses im rechtlichen Sinne darstellt. Vielmehr handelt es sich dabei um das Ergebnis einer finanziellen Bewertung der Aktiva und Passiva, die nicht mit den Eigenschaften eines Gegenstands gleichzusetzen sind.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass die genaue Zusammensetzung des Nachlasses eine zentrale Rolle bei der Anfechtung einer Erbausschlagung spielen kann. Ein Erbe, der sich über die tatsächlichen Vermögenswerte irrt, kann seine Ausschlagungserklärung anfechten, sofern der Irrtum kausal für die Entscheidung war. Es wird jedoch nicht genügen, sich auf ungenaue oder ungesicherte Informationen zu stützen; vielmehr müssen nachvollziehbare Gründe für den Irrtum vorliegen.

Fazit

Das Urteil des OLG Frankfurt schafft Klarheit über die Frage, unter welchen Umständen eine Erbausschlagung wegen Irrtums angefochten werden kann. Es zeigt, dass Erben bei der Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung eines Erbes sorgfältig vorgehen sollten, insbesondere wenn es Unsicherheiten über die Zusammensetzung des Nachlasses gibt. Ein unüberlegtes Ausschlagen kann unter Umständen rückgängig gemacht werden – allerdings nur, wenn ein relevanter Irrtum vorliegt, der sich auf die wesentlichen Bestandteile des Nachlasses bezieht.

Picture of Dana Freber

Dana Freber

Dana Freber ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Freber & Partner. Für sie steht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an erster Stelle. In der Kanzlei liegen ihr die Themen Erbschaft und Vorsorge am Herzen.

Sie benötigen eine Beratung oder benötigen noch mehr informationen?

All unsere Beratungsgespräche finden persönlich in unserer Kanzlei in Nieder-Olm statt, können aber auch ortsunabhängig per Telefon oder ganz digital per Videochat stattfinden. Zur Buchung werden Sie zu unserem Service „Terminland“ weitergeleitet.

Wir sind datenschutzfreundlich!

Wir nutzen keine Cookies oder Tracking-Tools.

Für statistische Auswertungen der Webseitennutzung verwenden wir die sichere, anonyme und datenschutzfreundliche Technologie von Matomo.

Näheres in unserer Datenschutzerklärung.